HYPNOBIRTHING: MEIN GEBURTSBERICHT

HYPNOBIRTHING UND DER UNERWARTETE KAISERSCHNITT


 Die mentale Vorbereitung

„KAISERSCHNITT“. Allein dieses Wort löste bei mir Ängste und Unwohlsein aus. Bei meiner ersten Geburt bin ich ihm (knapp) entkommen, bei meiner zweiten Geburt erlag ich ihm. Oder, als positiven Glaubenssatz formuliert: bei meiner ersten Geburt war er mein back-up, bei meiner zweiten Geburt rettete er meinem Baby das Leben.


HypnoBirthing

ZWEITE GEBURT. Auf meine zweite Geburt bereitete ich mich vor. Ich wollte gewappnet sein, gut gerüstet sein, mental einen Schachzug voraus sein. Klingt wie im Krieg und irgendwie ist es auch ein bisschen so: man stellt sich auf etwas Gewaltiges ein. Die letzten vier Wochen vor Henry’s Geburt setzte ich mich dank eines HypnoBirthing-Kurses ganz intensiv mit meinem Körper, meiner Psyche, meinem Baby, meinem Geburtsprozess und meinen Geburtswünschen auseinander.

Ich genoss diese Zeit, denn ich wurde von Tag zu Tag entspannter. Meine Ur-Ängste (Erfahrungen aus der ersten Geburt und negative Glaubenssätze) legte ich komplett ab, ich vertraute meinem Körper komplett und ich freute mich sogar auf meine zweite Geburt. Henry machte sich vier Tage nach dem errechneten „Termin“ auf den Weg.


Die Geburt

GEBURTSVERLAUF.

06.45 Uhr. Meine Fruchtblase geht auf, meine Wellen (Wehen=Wellen) setzen ein. Ich freue mich. Das Fruchtwasser ist braun-grünlich, deswegen fahren wir direkt in die Klinik. Uns empfängt ein entspanntes Team aus Schwestern und Hebammen, ich fühle mich wohl. Der Geburtsraum ist gemütlich. Das CTG verläuft unauffällig, Henry’s Herztöne sind einwandfrei. Ich veratme engagiert, voller Mut und Tatendrang meine sehr geschätzten Wellen (juhu, alles ist perfekt, ich habe Wellen und es geht seinen Gang, yeeaaah!“). Mein Mann bringt unseren 15-Monate alten Sohn zu Freunden und kommt bald darauf wieder zurück.

Ca. 10:00 Uhr. Seit über zwei Stunden habe ich sehr kräftige Wellen im Abstand von ca. 2 Minuten. Sie kommen sehr schnell aufeinander, ich habe kaum Zeit mich dazwischen auszuruhen. „Wunderschöne 3cm Muttermundöffnung“, sagt meine Hebamme, die mich betreut. Ich danke ihr von Herzen für die Ruhe die sie ausstrahlt und mit welcher Positivität sie formuliert. Wow. Geschafft. Ich bin stolz.

Ca. 11:00 Uhr. 4cm Muttermundöffnung. Es geht stetig voran, denke ich mir. „Wenn auch nur stetig, aber es geht voran, und das ist das Wichtigste“, denke ich mir. Ich spüre, dass meine Wellen nun schwerer zu veratmen sind, es strengt mehr an. Es ist kräftezehrend. Die Wellen ändern sich in gewaltige Druckwellen nach unten, Richtung Po. Sie kommen fast jede Minute. Alles in mir arbeitet daran, Henry langsam nach unten durch das Becken zu bewegen. Ich kann mich kaum erholen. Meine Hebamme rät, nicht zu sehr zu drücken, da es noch recht früh ist. Der unbändige Drang nach unten zu drücken kommt reflexartig. Mein Körper macht das, nicht ich. Ich spüre wie ich nicht mehr stehen kann, mein Energiehaushalt ist rapide gesunken. Ich frage nach einem Schmerzmittel, welches ich alsbald intravenös bekomme.

Ca.12:00 Uhr. Etwas zwischen 4 und 5cm. Mein Körper zittert und ich bin schweißüberströmt. Ich bekomme eine PDA damit ich mich ein bisschen ausruhen kann. Ich spüre die Wellen weiterhin intensiv, ich spüre meine Beine ebenso, was gut ist. Ich meditiere und veratme. Meditiere und veratme. Meditiere und veratme. Im Vierfüßlerstand, mein Becken kreisend.

Ca. 14:00 Uhr. Etwas zwischen 4 und 5cm. Nur mit größter Konzentration schaffe ich es dem schier nicht aufzuhaltenden Druck nach unten Herr zu werden. Henry‘s Herztöne über das CTG verschlechtern sich, es sind zwei Hebammen im Raum. Beiden „gefällt“ Henry’s Zustand nicht. Das Fruchtwasser ist grün. Auf eine Lagerung mit zu viel Schwerkraft nach unten wird nun verzichtet. Umlagerung auf die Seite, mal rechts, mal links im Wechsel. Die Seitenlagerung empfinde ich als schmerzhaft und unangenehm. Nach einiger Zeit der Seitenlagerung verbessern sich die Herztöne wieder. Ich kämpfe. Ich verliere meine Entspannung, ich spüre regelrecht, dass es nicht voran geht. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass etwas nicht stimmt. Ich kämpfe.

Ca. 15.15 Uhr. Etwas zwischen 4 und 5cm. Stillstand. Seit mehr als drei Stunden. Ich fühle mich hilflos. Abgekämpft. Ich zittere wie Espenlaub am ganzen Körper, bin komplett nassgeschwitzt und fiebere. Die Ärztin wird hinzugezogen. Beratung. Ultraschall. Diagnose: Hoher Gradstand. Henry’s Köpfchen steht senkrecht zum Beckeneingang und kann somit nicht das Becken passieren (um in das Becken zu treten muss das Baby sein Köpfchen zur Seite drehen- Henry’s Köpfchen ist gerade.) Die Ärztin spricht den Kaiserschnitt an. Ich weine bitterlich. Alle kümmern sich um mich und leiden mit mir. Ich werde getröstet, mir wird gut zugeredet. „Wir können es noch ein letztes Mal versuchen“, sagt die Ärztin mitfühlend. Ich ergebe mich erschöpft dem Schicksal. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich auf Henry aufpassen muss. Hier geht es nicht um mich und „dass ich es schaffe“. Hier geht es um Henry, der seit Stunden mit seinem kleinen Köpfchen gegen meinen Beckeneingang gedrückt wird und dem es nicht mehr so gut geht. Letztendlich bin ich nur der Erfüllungsgehilfe. Mein Baby entscheidet. Die Hebammen und Ärzte bereiten die Operation vor. Ich laufe wehend mit Katheter über den Gang in den OP-Saal. Das Team aus Anästhesisten, Ärzten und Hebammen trösten mich, das hilft.

15.45 Uhr. Durch die PDA wird lokal betäubt, ich erlebe mit, wie Henry herausgeholt wird und das erste Mal schreit. Dabei schauen mein Mann und ich uns in die Augen und wir freuen uns riesig und sind glücklich. Zusammen weinen wir und lachen wir. Henry ist ein kerngesundes Baby.


Die Zeit danach

TAGE DANACH. Die ersten beiden Tage und Nächte empfinde ich als belastend, schwierig und sehr emotional. Die Nachwehen zerren an meinem Unterleib, die OP-Naht schmerzt, der Kreislauf ist auf Tiefstand, der „Baby Blues“ rollt über mich und das Gefühl „versagt“ zu haben ist unerträglich. Ich kann mich nicht um mein Baby kümmern, denn jede Bewegung schmerzt. Ich bin traurig, fühle mich kraftlos und ernüchtert. Es fühlt sich an, als habe ich den „Kampf“ verloren. Trotz der intensiven Vorbereitung und der freudigen Erwartung auf die Geburt, fühle ich mich nach der Geburt wie ein verwundeter Krieger, der die größte Niederlage erlitten hat, die er erleiden kann. Das war eindeutig der Tiefpunkt. Nach vier Tagen verlasse ich die Klinik, meine Familie bereitet mir ein wunderschönes Welcome. Ich freue mich und zeitgleich ergreift mich eine Traurigkeit. Nach ein paar Tagen zu Hause erreiche ich Tiefpunkt Nr. 2. Ich suche nicht nur die Schuld am Geburtsverlauf bei mir selbst, ich hasse mich regelrecht. Ein sehr emotionaler Tag mit viel Tränen und Gereiztheit.

3 Wochen später. Mit meinem Baby und Kleinkind bin ich nun im Alltag angekommen. Mein Mann geht wieder arbeiten und ich bin nun eine „Multi-Mom“, die ihr Bestes gibt beiden Schätzen gerecht zu werden. Ich bin stolz, schätze meine Familie sehr und bin glücklich. Gedanken an die Geburt habe ich dennoch fast täglich und es fließt die ein oder andere Träne unter der Dusche.


Fazit

POSITIVES MINDSET. Ich bin mir sicher: Wäre ich nicht so positiv in die Geburt gestartet und hätte ich mir davor nicht ein komplett positives mindset aufgebaut, würde es mir jetzt schwerer fallen das Erlebte zu verarbeiten und den Alltag als Zweifach-Mommy zu leben. Ich bin dankbar dafür den HypnoBirthing-Kurs gemacht zu haben, denn letztendlich hat mir die mentale Vorbereitung sehr geholfen. Während der Geburt, die Entscheidung für den (ungewollten) Kaiserschnitt zu tragen und dem gesamten Geburtsverlauf auch etwas Positives abzugewinnen. Darüber hinaus habe ich für mich selbst unheimlich viel herausgefunden. Besonders profitiere ich von meinen erlernten „Hacks“, die mein tägliches Leben bereichern und einfach schöner machen. Ein paar Beispiele:

  • Meinem Körper 100%-ig zu vertrauen. Zum Beispiel habe ich den Milcheinschuss ganz „nebenbei“ wahrgenommen, er war überhaupt nicht unangenehm. Das Stillen hat von Anfang an super geklappt und ich bin täglich dankbar dafür stillen zu können.
  • Unangenehme oder stressige Situationen im Alltag in positive Situationen umzuwandeln. 
  • Mentale Bindung zu meinem Baby. Mit Henry habe ich mich in den vier Wochen vor der Geburt täglich immer stärker mental verbunden und verbunden gefühlt. Das hat mir insbesondere während der ersten Tage nach der Geburt geholfen, der Situation kraftvoller entgegen zu treten.

♥ Liebevolle Grüße an alle Mommies da draußen.♥

Eure Julie.

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